Sich vertrauensvoll auf den Weg machen

Der Winter nähert sich dem Ende. Die große Zeit der Stille, der inneren Einkehr und Ausrichtung findet langsam ihren Abschluss. Nicht von heute auf morgen, doch wir spüren, wie die Energien im Wandel sind. Die Dunkelheit weicht langsam, aber sicher zurück. Die Tage gewinnen an Kraft. Dieser Prozess dauert bis zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche (20./21. März) an. Zu diesem Zeitpunkt ist der Tag genau gleich lang wie die Nacht. Bis dahin wird von Tag zu Tag die Sonnenkraft immer stärker. Sie erweckt alles Leben, das tief verborgen in der Erde ruht.

Wir meinen oft, dass erst im Frühling die Natur zu Leben erwacht. Nur was sichtbar ist, nehmen wir wahr. Dabei vergessen wir den wichtigen und wertvollen Prozess des Aufbruchs. Und dieser Aufbruch geschieht nie im Außen. Er findet tief verborgen im Inneren statt. Ein Samenkorn, ein Keim, eine Eichel muss zuerst ihre schützende Schale aufbrechen. Erst wenn sie ihre eigenen Wände durchbrochen hat, kann sie aus sich herauswachsen. Ihr Weckruf ist die Sonne, das Licht, die Wärme. Das, was nährt.

Genauso verhält es sich mit uns. Es ist unser inneres Feuer, dass uns die Kraft schenkt, Hürden zu durchbrechen. Erst wenn wir innerlich für etwas brennen, erleben wir die Grenzen sprengende Energie, die uns aus uns herauswachsen lässt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir immer wieder unser Herz nähren. Das tun, was uns guttut. Damit unser Feuer nicht erlischt.

Die schützende Schale, die wir überall in der Natur wiederfinden, hat ihre Berechtigung. Denn sie bietet Schutz. Die Natur lässt sich so lange Zeit, wie sie braucht, nicht mehr und nicht weniger. Und wenn sie ihren Weckruf hört, wenn sie die Sonnenkraft spürt, sprengt sie ihr liebgewonnenes Zuhause. Sie tut dies bewusst und willentlich, denn sonst kann kein Wachstum entstehen. Und die Natur will wachsen. Sie will sich entfalten und gedeihen.

Der Februar ist deshalb der Monat des Aufbruchs. Er ist ein Monat, der für die pure Willenskraft steht. Denn das Samenkorn kennt sein Ziel noch nicht. Es wächst voller Vertrauen durch die Dunkelheit der Erde hindurch. Es nähert sich Tag für Tag immer mehr der Sonne, gräbt sich durch, schlägt Wurzeln und wächst gleichzeitig empor. Es kann lange dauern,der Durchbruch erreicht ist. Bis der Moment da ist, wo es die verkrustete Erde durchbrochen hat und endlich sichtbar wird. Deshalb dürfen auch wir uns immer Zeit und Geduld schenken.

Denn erst, was Wurzeln fassen konnte, gewinnt an Kraft und kann wachsen. Die ersten Pflanzen des Februars sind mutige Vorläufer des nahenden Frühlings. Sie strotzen nur so vor Kraft und Energie. Sie lassen sich nicht abbringen und gehen mutig voran. Und trotzdem mahnt uns die Natur, nicht schon zu stark in der Umsetzung zu sein. Wir befinden uns noch immer im Winter. In der Zeit des Jahres, wo vieles im Unbewussten wirkt und vor allem auch wirken soll. Es braucht Vertrauen und Hingabe, sich diesem Jahresrhythmus hinzugeben und mit ihm mitzugehen. Denn obwohl wir die aufstrebenden Kräfte der Natur spüren, dürfen wir noch immer den Hauptfokus auf unser Innerstes legen. Die Dunkelheit hat noch immer die Oberhand. Noch hat die Sonne das Zepter nicht übernommen. Wir dürfen uns mit unserer Intuition verbinden: erahnen, lauschen, fühlen. Wir dürfen uns innerlich öffnen, Raum schaffen, damit das Neue Wurzeln schlagen kann und an Kraft gewinnt.

Der Februar will genau das greifbar machen. Er will als Übergangsmonat sachte und liebevoll den Aufbruch und das Wachstum unterstützen. Denn müssten wir uns schon jetzt der überbordenden Kraft des März und Aprils gegenüberstellen, würde diese Kraft alles im Keim ersticken. Es braucht diesen Übergang des Februars von der Stille des Winters zur Kraft des Frühlings. Alle Übergänge in der Natur sind fließend. So dürfen auch wir uns voller Vertrauen diesem Fluss des Werdens hingeben und uns öffnen. Ohne Eile. Ohne Druck. Doch innerlich machtvoll ausgerichtet und im Bewusstsein, dass unser eigenes Feuer genährt ist und sich schon bald mit den Frühlingskräften vereinen darf. (Auszug aus dem Buch “Naturrituale im Rhythmus des Jahres”.)